Pressekonferenz der Sonderkommission Tatort „Alto Adige“

BOZEN – Die Arbeitsgruppe Toponomastik im Südtiroler Schützenbund, der neben dem Sprachwissenschaftler Dr. Cristian Kollmann und der Historikerin Dr. Margareth Lun Günther Morat, Heinrich Seyr, Günther Ploner, Arno Rainer, Peter Kaserer, Tobias Hölbling, Robert Ventir, Roland Ventir, Johann Trenker, Egon Zemmer, Otmar Comploi und Dietmar Weithaler angehören, hat am Montag, den 5. März 2012 eine Pressekonferenz zum derzeit wieder heiß diskutierten Thema „Toponomastik“ abgehalten.

Dabei wurden den zahlreich erschienenen Medienvertretern folgende Schwerpunkte erläutert:

Landeskommandant Elmar Thaler erklärte, warum es gerade jetzt wieder einer Pressekonferenz bedürfe:

  • Trotz der jahrelangen Diskussion zu diesem Thema besteht nach wie vor ein großes Informationsdefizit.
  • Es wird eine Politik der gezielten Fehlinformation betrieben, der die Medien nicht aufsitzen dürfen.
  • Unser Appell richtet sich besonders an Sie als Medienvertreter, ausgewogen und fundiert darüber zu berichten.
  • Sowohl durch Politiker, als auch durch viele Medien werden immer noch Halbwahrheiten propagiert, die sich hartnäckig halten.

Anschließend widerlegte Dr. Margareth Lun drei häufig genannte Beispiele für derartige unvollständige bzw. falsche Behauptungen:

1.1. „Laut Pariser Vertrag und Autonomiestatut müssen alle Ortsnamen zweisprachig sein.“

Dem ist nicht so, denn:

a) In keiner dieser Bestimmungen ist von einer flächendeckenden Zweisprachigkeit in der Ortsnamengebung die Rede (schon gar nicht ist eine Unterscheidung zwischen Makro- und Mikrotoponomastik vorgesehen).

b) Weder im Pariser Vertrag noch im Autonomiestatut finden die faschistischen Dekrete Erwähnung. Sie bilden also nicht zwangsläufig die Grundlage für eine zweisprachige Toponomastik.

c) Es besteht keine Verpflichtung zur Übersetzung von Namen (weder Familien- noch Orts- oder Straßennamen).

1.2. „Wir müssen in der Ortsnamenfrage endlich einen Kompromiss finden, damit die deutschen und ladinischen Namen amtlich wiederhergestellt werden können“, bemüht hauptsächlich Landeshauptmann Dr. Luis Durnwalder immer wieder die Konsensbereitschaft. Lun dazu:

Ein Kompromiss darf nicht darauf ausgerichtet sein, dass die deutschen und ladinischen Namen nur unter jener Bedingung wiederhergestellt werden dürfen, dass die amtliche Gültigkeit der tolomeisch-faschistischen Namen unangefochten bleibt. Dies ist kein Kompromiss, sondern kommt einer Erpressung gleich.

1.3. „Die tolomeischen Namen sind in das Kulturgut der Italiener übergegangen“ ist ebenfalls eine Halbwahrheit, die häufig genannt wird.

Dass die tolomeischen Namen als „Kulturgut“ empfunden werden, war von Anfang an die Absicht des faschistischen Regimes. Man hat bewusst so viel Zeit verstreichen lassen, bis die tolomeisch-faschistische Vision in Erfüllung gegangen ist. Ist der Allgemeinheit bewusst, dass durch den Gesetzentwurf der Südtiroler Volkspartei diese jahrzehntelange Verzögerungs- und Hinhaltetaktik auch noch belohnt würde?

Anschließend ging der derzeitig in Luxemburg forschende Toponomastikexperte Dr. Cristian Kollmann auf die vielen Mängel im Gesetzesentwurf der SVP zur Toponomastik ein:

2.1. Der Gesetzesentwurf entbehrt jeder sprachwissenschaftlichen Grundlage.

2.2. Die Formulierungen sind äußerst allgemein und vage gehalten und bieten viel Raum für alle möglichen Interpretationen.

2.3. Die Kulturverbrechen des faschistischen Regimes finden keine Erwähnung. Die Abschaffung der faschistischen Ortsnamen ist nicht vorgesehen.

2.4. Für die amtliche Festlegung der Ortsnamen soll der Gebrauch ausschlaggebend sein. Wie der Gebrauch festgestellt werden soll, bleibt offen. Indem man einen Blick des „Prontuario“ wirft und/oder sorglose Bürger befragt?

2.5. Im Landesbeirat für Kartographie ist kein Sprachwissenschaftler, geschweige denn ein Toponomast vorgesehen.

Dass sich die Gebarung der SVP zu dieser Frage in den letzten zwei Jahrzehnten grundlegend geändert hat, beweist einmal mehr die Resolution der SVP-Landesversammlung von 1991 sowie die 1984 von der jungen Generation der SVP herausgegebenen Broschüre „Ortsnamen – ein Unrecht übersteht den Faschismus“, die Roland Ventir vorstellte.

Die Vorstellung der Informationskampagne zur Toponomastik durch den Südtiroler Schützenbund übernahm der Bildungsreferent Günther Morat:

Demnächst läuft in den einzelnen Bezirken eine Informationskampagne zur Toponomastik. Damit sollen zum einen die Bevölkerung und zum anderen die Politiker erreicht werden. Das Hauptziel besteht darin, das Bewusstsein für den kulturhistorischen Wert des gewachsenen Orts- und Flurnamengutes zu fördern und vor allem aufzuzeigen, wie fahrlässig und verantwortungslos es wäre, wenn jene Namen, die jeder sprach- und siedlungsgeschichtlichen Grundlage entbehren, von politischer Seite durch einen bloßen Verwaltungsakt gebilligt werden. Den verantwortlichen Politikern soll die Tragweite einer derartigen kurzsichtigen und verantwortungslosen Entscheidung bewusst gemacht werden: Durch die von der Südtiroler Volkspartei angestrebte Regelung der Toponomastik werden zukünftige Generationen keine Möglichkeit mehr haben, Antworten auf ihre Fragen zur Geschichte eines wesentlichen identitätsstiftenden Bestandteils ihrer Heimat zu finden.

Schlussendlich erläuterte Egon Zemmer das von der Fachgruppe Toponomastik erarbeitete Flugblatt zur Ortsnamengebung und die Informationskampagne im weltweiten Netzwerk. Dazu wurde eine eigene Internetseite www.toponomastik.com erstellt und eine Facebook-Seite geschaffen. Außerdem verwies er darauf, dass es auch auf der Homepage des SSB, www.schuetzen.com, seit langem die Möglichkeit gibt, Materialien zur Toponomastik einzusehen.

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Videobericht im SüdtirolTV vom 5. März 2012
Flugblatt – Wer hat nichts drunter?

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