KALTERN – Gerade jetzt, wo das soeben erst vom Landtag verabschiedete Landesgesetz zur Ortsnamengebung von Rom auch schon wieder rückverwiesen wurde, ist die Ortsnamenfrage wieder aktuell wie nie zuvor. Wie groß der Informations- und Diskussionsbedarf zu dieser Frage nach wie vor ist, zeigte erneut die gut besuchte Veranstaltung am 22. November 2012 im Filmclub Kaltern zum Thema „Aktion Ortsnamen – Spurensicherung im Überetsch“, zu der die Schützenkompanie Kaltern gemeinsam mit der vom Südtiroler Schützenbund ins Leben gerufenen SOKO Tatort „Alto Adige“ und die Schützenbezirke Bozen und Unterland geladen hatten.
Nach der Begrüßung durch Roland Ventir als Vertreter der SOKO Tatort „Alto Adige“ führte Egon Zemmer in seinem Impulsreferat in die sprachgeschichtliche Entstehung der Ortsnamen ein. Anschließend erläuterte die Historikerin Margareth Lun die biografischen Hintergründe Ettore Tolomeis und analysierte dessen Vorgangsweise bei seinem Vorhaben, Südtirol flächendeckend zu italianisieren. Über die rechtlichen Grundlagen der Toponomastik und die Handhabung der Ortsnamenfrage in anderen europäischen Minderheitengebieten klärte schließlich Dietmar Weithaler auf.
Im Mittelpunkt des Abends stand eine Podiumsdiskussion mit Barbara Prugger (SMG – Leitung in der Unternehmenskommunikation), Dr. Arno Kompatscher, dem Präsidenten des Südtiroler Gemeindenverbandes, Georg Simeoni, dem Ersten Vorsitzenden des AVS, Günther Morat, dem Kultur- und Bildungsreferenten des SSB, Hansjörg Mair, dem Direktor der Ferienregion Südtirols Süden sowie Arno Rainer als Sprecher der SOKO Tatort „Alto Adige“.
Die beiden Touristikfachleute am Podium, Barbara Brugger und Hansjörg Mair, betonten, dass gerade das Zusammenwirken der verschiedenen Sprachen und Kulturen im Land das Besondere ausmache, was gut beworben werden könne. Bei der SMG würde allerdings in letzter Zeit prinzipiell an erster Stelle der deutsche Ortsname und dann erst der italienische verwendet, auch in der nationalen Werbung.
Arno Rainer zog Vergleiche zu den Ortsnamenlösungen in anderen Minderheitengebieten, etwa in Katalonien, wo die aufoktroyierten spanischen Ortsnamen sogar nach 250 Jahren wieder abgeschafft wurden. Rainer verlieh seinem Wunsch Ausdruck, dass auch die Regierungspartei einsieht, dass nur eine korrekte, gerechte Lösung in der Toponomastik auch eine dauerhafte Lösung sein könne.
Der AVS-Vorsitzende Georg Simeoni unterstrich, dass er als Privatperson zwar eindeutig für die historische Lösung sei, dass der AVS aber aufgrund der Eingabe beim Staatsanwalt und durch den Rechnungshof gezwungen war, die einsprachigen Wegeschilder wieder zu entfernen. Diese waren mit öffentlichen Beiträgen angeschafft worden und müssen somit zweinamig sein. Der AVS stehe aber nach wie vor zur Verwendung der deutschen Ortsnamen.
Einen guten Einblick über die Verhandlungen und Nachverhandlungen zum Gesetzentwurf 71/10 mit Rom gab Arno Kompatscher. Er erklärte u.a., warum das Land Südtirol in der Ortsnamenfrage nicht vor den Internationalen Gerichtshof treten könne: Dies obliege erstens nur einem Staat, also Österreich als Schutzmacht, und zweitens könnten vor dem IGH nur Nicht-Einhaltungen von Verträgen angefochten werden; die Toponomastik sei aber derzeit nicht vertraglich geregelt.
Günther Morat wies u.a. auf die absurde Situation hin, dass im Augenblick nicht aufgezeigt werden müsse, welche italienischen Ortsnamen berechtigt seien oder nicht, sondern dass Südtirol die Beweislast trage, dass hier überhaupt deutsche Ortsnamen existieren. Außerdem sei es bedenklich, dass sich die Regierung bereits mehrmals über die Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofs hinweg gesetzt habe.
Zahlreiche Fragen und Denkanstöße aus dem Publikum bereicherten die Diskussion. Durch den Abend führte der Journalist Moritz Windegger.