NEUSTIFT – Das neue Toponomastikgesetz ist zwar vom Landtag verabschiedet worden, Informations- und Diskussionsbedarf besteht aber nach wie vor. Die Ortsnamenfrage ist nämlich noch lange nicht gelöst, sondern der Ball wurde in dieser heiklen Frage nur den Bezirksgemeinschaften zugespielt.
Für die Ortsnamenfrage weiterhin zu sensibilisieren und über die Hintergründe zu informieren, das war das Ziel, das sich die Eisacktaler Schützen und die SK Neustift gemeinsam mit der vom Südtiroler Schützenbund ins Leben gerufenen SOKO Tatort „Alto Adige“ gesetzt hatten, als sie am Montag, den 12. November 2012 in den prächtigen Augustinersaal im Chorherrenstift Neustift luden.
Nach der Begrüßung durch den Hauptmann der Schützenkompanie Neustift, Stefan Vonklausner, den Grußworten von Sepp Kaser und einer Einleitung durch Dietmar Weithaler führte Egon Zemmer in seinem Impulsreferat in die sprachgeschichtliche Entstehung der Ortsnamen ein. Anschließend erläuterte die Historikerin Margareth Lun die biografischen Hintergründe Ettore Tolomeis und analysierte dessen Vorgangsweise bei seinem Vorhaben, Südtirol flächendeckend zu italianisieren. Über die rechtlichen Grundlagen der Toponomastik und die Handhabung der Ortsnamenfrage in anderen europäischen Minderheitengebieten klärte der Hauptmann der Schützenkompanie Goldrain, Arno Rainer auf.
Im Mittelpunkt des Abends stand eine Podiumsdiskussion mit Walter Baumgartner als Präsident des FC Südtirol, Helmut Tauber als Vizepräsident des HGV, Fabio Rigali, einem Musiker italienischer Muttersprache, Georg Simeoni, dem Ersten Vorsitzenden des AVS sowie Günther Ploner, dem Geschäftsführer des SSB.
Dr. Walter Baumgartner betonte, dass der FC Südtirol ausschließlich den deutschen Namen „Südtirol“ verwende und dass der Verein deshalb auch eine Botschafterfunktion habe. In fast den gesamten regionalen Zeitungen und italienischen Sportblättern werde deshalb nur der deutsche Name „Südtirol“ verwendet. Er erklärte, dass sich der durchschnittliche Italiener in Südtirol nicht an den deutschen Ortsnamen stoße, sondern nur der politisch aktive. Baumgartner unterstrich seine Sympathie für die historische Lösung. Als Politiker hingegen verteidigte er die Genehmigung des Gesetzentwurfes 71/10 trotz seiner Mängel, da er der Meinung sei, dass nur mit einer solchen rechtlichen Grundlage international agiert werden könne.
Fabio Rigali verwies darauf, dass Tolomei bereits in seinem „Prontuario“ selbst seine Methoden offenlegte und seine Fehler zugab. Als Lehrer erkläre er den Schülern, dass sie auch im Italienischen ihre deutschen Ortsnamen gebrauchen dürften. Rigali unterstrich vor allem die Notwendigkeit von Aufklärungsarbeit in der italienischen Volksgruppe, die, vor allem von bestimmten Medien beeinflusst, um ihren Stand in Südtirol bange, wenn die faschistischen Ortsnamen verschwinden.
Der AVS-Vorsitzende Georg Simeoni unterstrich, dass er als Privatperson zwar eindeutig für die historische Lösung sei, dass der AVS aber aufgrund der Eingabe beim Staatsanwalt und durch den Rechnungshof gezwungen war, die einsprachigen Wegeschilder wieder zu entfernen. Diese waren mit öffentlichen Beiträgen angeschafft worden und müssen somit zweinamig sein. Der AVS stehe aber nach wie vor zur Verwendung der deutschen Ortsnamen. Die in Kürze erhältliche Tourenkarte für den gesamten Ostalpenraum, die gemeinsam mit dem österreichischen und dem deutschen Alpenverein herausgebracht wird, wird deshalb nur die deutschen Ortsnamen in Südtirol enthalten.
In seinen Statements erläuterte HGV-Vizepräsident Helmut Tauber, dass die SMG aufgrund von Marktforschungsstudien in der Werbung außerhalb Italiens in jüngster Zeit vermehrt den deutschen Ortsnamen an erster Stelle verwende. Vor allem in den osteuropäischen Ländern werde zunehmend auf die deutschen Namen gesetzt. Während die Tourismusfachleute aufgrund der derzeitigen rechtlichen Situation für die Städte und großen Ortschaften beide Namen verwenden, würden Bergziele meist nur in Deutsch genannt. Bei Gröden/Gherdëina/Val Gardena seinen der deutsche und der italienische Name dem vermeintlich griffigeren Val Gardena zum Opfer gefallen, weil sich vor Ort eine Mehrheit für Val Gardena durchgesetzt habe.
Bundesgeschäftsführer Günther Ploner machte seine Gesprächspartner am Podium darauf aufmerksam, dass es nicht annehmbar sei, als Privatperson für die historische Lösung zu sprechen, aber als Verbands- oder Vereinsvertreter dann genau das Gegenteil zu praktizieren. Er betonte, dass der Schützenbund nach wie vor unbeeinflusst und unabhängig zu seiner Meinung stehe und dass es auch für den AVS eine Möglichkeit geben müsse, sich von öffentlichen Geldern unabhängig zu machen.
Zahlreiche Fragen und Denkanstöße aus dem Publikum bereicherten die Diskussion. Dabei wurde vor allem der Missstand kritisiert, dass in den verschiedensten Navigationssystemen nach wie vor an erster Stelle bzw. sogar ausschließlich die italienischen Ortsnamen Verwendung finden.
Durch den Abend führte Alfred E. Mair.