GOLDRAIN – Kürzlich fand im Graf-Hendl-Saal auf Schloss Goldrain ein Vortrag unter dem Titel „Orts- und Flurnamen – Spurensuche zur Toponomastik“ statt. Referent war Hptm. Arno Rainer von der Schützenkompanie Goldrain. Er ist Mitglied der SOKO Tatort „Alto Adige“, welche sich schon seit Jahren mit der Toponomastik in Südtirol auseinandersetzt. Der Bildungsausschuss und die Schützenkompanie von Goldrain haben diese Informationsveranstaltung gemeinsam im Rahmen der „Goldrainer Dorftage“ organisiert. Trotz starken Schneefalls füllte sich der Saal bis auf wenige Plätze.
Die Wurzeln der Ortsnamen
Gleich zu Beginn des Vortrages definierte der Referent den begrifflichen Unterschied zwischen Worten und Namen: Worte beschreiben, Namen bezeichnen. Aus diesem Grund könnten Namen aus sprachwissenschaftlicher Sicht nicht übersetzt werden.
Nach weiteren Ausführungen zur Entstehung und Entwicklung von Toponymen (Orts- und Flurnamen) animierte Rainer das Publikum dazu, selbst über den Ursprung lokaler Orts- und Flurbezeichnungen nachzudenken.
Bei den Flurnamen mit deutschen Wurzeln waren die Anwesenden auch ohne fundiertes Vorwissen in der Lage, einige der Herleitungen selbst zu erraten. „Denn auch wenn sich die Ortsnamen im Laufe der Jahrhunderte zum Teil stark verändert haben, lasse sich deren Herkunft aufgrund des jeweils zugrunde liegenden Benennungsmotives rekonstruieren. Einen gewachsenen historischen Ortsnamen ohne ein solches Motiv gebe es nicht“, so Rainer. Schwieriger wurde es dann aber bei den Ortsnamen mit romanischer und vorrömischer Wurzel. Hier war ohne Fachwissen des Referenten an kein Weiterkommen zu denken.
Ein Fälscher macht Geschichte
Kurz aber sehr deutlich wurde die Entstehungsgeschichte der künstlichen italienischen Toponomastik skizziert und an konkreten Beispielen verdeutlicht. Überrascht zeigte sich das Publikum, dass Ettore Tolomei im Jahre 1916 für die Schaffung von 12.000 italienisch klingenden Ortsnamen lediglich 40 Tage benötigt hatte. Dass er dabei auch gleich einige echte historisch gewachsene italienische Ortsnamen wie Nova Tedesca (Deutschnofen) und Nova Italiana (Welschnofen) abgeschafft hat, war dabei den wenigsten Zuhörern bekannt.
Einsprachige Ortsnamen rechtlich möglich
Der Referent ging anschließend auch auf die aktuelle Gesetzeslage in Südtirol in Bezug auf die Ortsnamensgebung ein. Er unterstrich hierbei, dass es derzeit kein Gesetz gebe, welches die Zweinamigkeit der Orts- und Flurnamen Südtirols vorschreibe, sondern lediglich die Zweisprachigkeit.
Als Beweis verwies er auf Ortschaften wie Lana, Gais oder Morter. Problematisch sei zudem, dass aufgrund alter jedoch noch gültiger faschistischer Dekrete, sämtliche historisch gewachsenen deutschen und ladinischen Ortsnamen lediglich geduldet seien, jedoch keine amtliche Gültigkeit hätten.
Blick über den Tellerrand
Rainer legte dar, dass es in Vergangenheit nicht nur in Italien, sondern auch in anderen Regionen Europas Namensfälschungen gegeben habe, die aber allesamt – mit Ausnahme jener in Südtirol – wieder rückgängig gemacht worden seien. Im Besonderen verwies er auf die Region Aosta, die ja auch zu Italien gehört, aber nur französische Ortsnamen habe. Vorbildfunktion habe aber auch die mehrsprachige Schweiz, die auf eine künstliche Mehrnamigkeit verzichte.
Aus diesem Grund appellierte der Redner an das Publikum, auch im Gebrauch mit Italienern nur die historischen Ortsnamen (darunter auch sehr viele ladinische und italienische), zu verwenden.
Carabiniere diskutiert mit
Das Publikum beteiligte sich rege an der Diskussion. So konnte das Thema Orts- und Flurnamen aus den verschiedensten Blickwinkeln ausgeleuchtet werden. Sogar ein anwesender Carabiniere in zivil meldete sich zu Wort. Deutlich wurde, dass das Thema Ortsnamen auch 2014 noch bewegt.
Flurnamenkarte für den Sonnenberg
Im Anschluss an den Vortrag konnte eine neue Karte der Flurnamen von Goldrain, Latsch und St. Martin im Kofl vorgestellt werden. Mehrere engagierte Bürger von Goldrain hatten in mühseliger Kleinarbeit knapp 300 alte Ortsnamen am Goldrainer Sonnenberg erhoben und auf einer Karte festgehalten. Die Karte soll demnächst veröffentlicht und allen Interessierten zugänglich gemacht werden.